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u'Freilebende Gummib\xe4rchen gibt es nicht. Man kauft sie in Packungen an der Kinokasse. Dieser Kauf ist der Beginn einer fast erotischen und sehr ambivalenten Beziehung Gummib\xe4rchen-Mensch. Zuerst genie\xdft man. Dieser Genu\xdf umfa\xdft alle Sinne. Man w\xfchlt in den Gummib\xe4rchen, man f\xfchlt sie. Gummib\xe4rchen haben eine Konsistenz wie weichgekochter Radiergummi. Die Tastempfindung geht auch ins Sexuelle. Das bedeutet nicht unbedingt, da\xdf das Verh\xe4ltnis zum Gummib\xe4rchen ein geschlechtliches w\xe4re, denn prinzipiell sind diese geschlechtsneutral. Nun sind Gummib\xe4rchen weder wabbelig noch z\xe4h; sie stehen genau an der Grenze. Auch das macht sie spannend. Gummib\xe4rchen sind auf eine aufreizende Art weich. Und da sie weich sind, kann man sie auch ziehen. Ich mache das sehr gerne. Ich sitze im dunklen Kino und ziehe meine Gummib\xe4rchen in die L\xe4nge, ganz ganz langsam. Man will sie nicht kaputtmachen, und dann siegt doch die Neugier, wieviel Zug so ein B\xe4rchen aush\xe4lt. (Vorstellbar sind u.a. Gummib\xe4rchen-Expander f\xfcr Kinder und Genesende). Forscherdrang und gleichzeitig das B\xf6se im Menschen erreichen den Climax, wenn sich die Mitte des gezerrten B\xe4rchens von Millionen Mikrorissen wei\xdf f\xe4rbt und gleich darauf das zweigeteilte St\xfcck auf die Finger zur\xfcckschnappt. Man hat ein Gef\xfchl der Macht \xfcber das hilflose, nette Gummib\xe4rchen. Und wie man damit umgeht: Mensch erkenne dich selbst! Jetzt ist es so, da\xdf Gummib\xe4rchen ja nicht gleich Gummib\xe4rchen ist. Ich bevorzuge das klassische Gummib\xe4rchen, k\xfcnstlich gef\xe4rbt und aromatisiert. Mag sein, da\xdf es eine Sentimentalit\xe4t ist. Jedenfalls halte ich nichts von neuartigen Alternativ-Gummib\xe4rchen ohne Farbstoff (\xbbM\xfctter, mit viel Vitamin C\xab), und auch unter den konventionellen tummeln sich schwarze Schafe: die schwarzen Lakritz-B\xe4rchen. Wenn ich mit Xao im Kino bin, red ich ihm so lange ein, da\xdf das die besten sind, bis er sie alle i\xdft. Sie schmecken scheu\xdflich und f\xfchlen sich scheu\xdflich an. Dagegen das sch\xf6ne, herk\xf6mmliche Gummib\xe4rchen: allein wie es neonhaft vom Leinwandleuchten illuminiert, aber ganz ohne die K\xfchle der Reklamer\xf6hren! Die n\xe4chste prickelnde Unternehmung ist das Kauen des Gummib\xe4rchens. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Man k\xf6nnte zubei\xdfen, l\xe4\xdft aber die Spannung noch steigen. Man quetscht das nasse Gummib\xe4rchen zwischen Zunge und Gaumen und glibscht es durch den Mund. Nach einer Zeit bei\xdfe ich zu, oft bei nervigen Filmszenen. Es ist eine animalische Lust dabei. Was das schmecken angeht. wirken Gummib\xe4rchen in ihrer massiven Fruchtigkeit sehr dominierend. Zigaretten auf Gummib\xe4rchen schmecken nicht gut. Anf\xfchren sollte man auch noch: manche m\xf6gen die Gr\xfcnen am liebsten, manche die Gelben. Ich mag am liebsten die Roten. Sie gl\xfchen richtig rot, und ihr Himbeergeschmack f\xe4hrt wie Napalm \xfcber die Geschmacksknospen. Eine meiner Lieblingsphantasien, wo es um Gummib\xe4rchen geht, ist der Gummib\xe4r. Ich will einen riesigen Gummib\xe4ren. Jeder wahre Gummib\xe4rchen-Gourmet wird mich verstehen. Ebenfall phantasieanregend k\xf6nnen sie eingesetzt werden zum Aufbau verschiedener \xbbOrgiengruppen- Modelle\xab oder als \xbbDemonstrationsobjekt f\xfcr wirbellose Tiere\xab. Abgesehen vom diabolischen Lustgewinn m\xfc\xdfte man die B\xe4rchen gar nicht zerrei\xdfen. Sie sind ja durchscheinend. Zu behaupten, da\xdf sich im Gummib\xe4rchen das Wesen aller Dinge offenbart, finde ich keinesfalls als gewagt. Wer schon einmal \xfcber einem roten Gummib\xe4rchen meditiert hat, wei\xdf von diesen Einsichten. Wenn ich das Kino verlasse oder die Packung einfach leergegessen ist, habe ich meist ein Gef\xfchl, als h\xe4tte mir einer in den Magen getreten. Hier schl\xe4ft die gesteigerte Intensit\xe4t \u2013 als deren Ursache den Gummib\xe4rchen durchaus der Charakter einer Droge zuerkannt werden kann \u2013 ins Negative um, in den \xdcberdru\xdf. In dichter und geraffter Form spiegelt sich im Verh\xe4ltnis zum Gummib\xe4rchen eine menschliche Love-Affair wider. Nie wieder Gummib\xe4rchen, denke ich jedesmal. In der Zwischenzeit l\xe4chle ich dann \xfcber den Absolutheitsanspruch den diese Momente erheben.'